Redebeitrag bei der Demo „EINE Welt, die zusammen hält – Mainz wählt Zusammenhalt“ am 8. Februar 2025 in Mainz

Guten Morgen Mainz, hallo EINE Welt!

So schön, dass wir uns heute hier treffen und der Welt zeigen, dass wir nicht einverstanden sind mit der derzeitigen politischen Lage.

Putins Angriffskrieg mit weit über 100.000 Toten, Chinas immer lautere Ankündigung sich Taiwan mit Gewalt einzuverleiben, Trumps Expansions- und Vertreibungsabsichten, die globale Rüstungsspirale brummt. Unsere globale Friedensarchitektur wird immer wackeliger und was machen unsere demokratischen Gesellschaften? Sie tendieren immer stärker zur egoistischen Abschottung, Hetzen gegen Minderheiten. Meinungsfreiheit leidet durch die Verbreitung von Resignation und Angst. Seit Monaten weist die in großen Teilen als gesichert rechtsextreme Partei AFD, 20% und mehr in Wahlumfragen auf. Darüber hinaus macht die Parteispitze unserer alten konservativen Partei, der CDU, sich auf, sich selbst abzuschaffen, indem sie in der letzten Woche die Brandmauer zur AFD eingerissen hat. Dieser Winter 2024/25 ist bitter, bitter kalt. Ein hysterisches Fiepen in den schrillsten, rassistischen Tönen dominiert unsere eigentlich bunte Medienlandschaft. Ich fühle mich seit Monaten völlig gelähmt von dieser braunen Schlammlawine und habe kaum noch Kraft, Nachrichten zu lesen. Wochenlang saß ich zuhause und dachte nur: Wo bleibt der gesellschaftliche Aufschrei? Wo sind all die vernünftigen Menschen hin, die vor fünf Jahren mit FFF auf die Straßen gingen, die ein Herz haben, die klar denken und die sich eine schöne Zukunft wünschen? Wo seid ihr? 

Ich will aber nicht nur über die Schockstarre reden, ich habe auch ein paar Wünsche mitgebracht, mit denen wir uns vielleicht aus diesem faschistischen Sumpf befreien können.

Mein erster Wunsch:

Ich wünsche mir, dass wir gute Politik feiern. Ein Beispiel: Die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes, auch aus der Springerpresse als Heizungshammer bekannt. Es ist wirklich ein Hammer Gesetz, denn gemeinsam mit dem Wärmeplanungsgesetz bildet es erstmals die Leitplanken für die vollständige Dekarbonisierung des gesamten Wärmesektors. Das ist einfach mega geil! Aber unsere Gesellschaft, unsere Politik nörgelt, nörgelt, nörgelt. Völlig gaga, meiner Meinung nach! Lasst uns doch das Gute und den Fortschritt feiern! 

Mein zweiter Wunsch:

Die Wissenschaft sagt es uns schon seit Jahrzehnten, dass wir auch im internationalen Vergleich eine sehr hohe und noch immer zunehmende Vermögensungleichheit in Deutschland haben. So besitzen zwei Familien in Deutschland so viel, wie die ärmere Hälfte der gesamten deutschen Bevölkerung. Und zwei Drittel dieses Vermögens wird heutzutage gar nicht mehr erarbeitet, sondern geerbt! Vermögen hat heutzutage vor allem mit dem Zufall zu tun, ob man in einer reichen Familie geboren wurde oder nicht. Das ist mMn einer demokratischen Gesellschaft, die allen Menschen eine Chance geben will, nicht würdig! Und das Perverse an der Situation ist, dass die beiden Parteien, die laut aktuellem Wahlprogramm vor allem die Reichen begünstigen wollen, immer wieder von Leistungsgesellschaft faseln. Das Gegenteil ist der Fall. Liebe CDU und FDP, wenn ihr eine solche Leistungsgesellschaft wollt, dann geht doch bitte erst einmal an die Vermögen und verteilt die deutlich mehr nach LEISTUNG, gerne auch gleichmäßiger, aber auf keinen Fall willkürlich an wenige. So oder so, ich wünsche mir, dass wir alle endlich teilen lernen!

Ich habe einen dritten Wunsch:

Und der beschäftigt sich damit, ob man aus der Geschichte lernen kann. Wir hatten ja schon zwei Mal Phasen im letzten Jahrhundert, die von Nationalismus und Faschismus geprägt waren. Und was ist da immer passiert? Stopp der Meinungsfreiheit, Gleichschaltung aller staatlichen Organe, das Verfolgen von Minderheiten, Diktatur, Weltkrieg. Ja, soweit alles bekannt. Und dennoch, wie ging es weiter? Zur Verhinderung eines weiteren Weltkrieges wurde nach dem Ersten Weltkrieg der Völkerbund gegründet, um global ein friedliches Miteinander zu schaffen. Eine der Lehren des Zweiten Weltkriegs war der Ausbau des Völkerbundes hin zu den Vereinten Nationen mit all seinen globalen Organen. In Europa wurde zudem die Europäische Union gegründet, mit den vier Freiheiten für Menschen, Waren, Dienstleistung und Kapital. Es wurden somit nationale Grenzen beseitigt. Wenn wir uns gerade nun in einer dritten autoritären, faschistischen Welle befinden, was mag letztlich die Lehre daraus sein? Meiner Meinung nach ist es genau das, eine weitere Stärkung des globalen Miteinanders. Eine Demokratisierung der Vereinten Nationen und eine Ausweitung der europäischen vier Grundfreiheiten auf die ganze Welt. In einer derartigen weltweiten globalen Demokratie, gäbe es weiterhin Nationalstaaten, denn Bundesländer oder Kommunen gibt es heute als wichtiges politisches Konstrukt ja auch noch. In einer globalen Demokratie könnten wir die derzeit zahlreichen globalen Herausforderungen viel effektiver lösen, sei es das Klima, die Artenvielfalt, die Kreislaufwirtschaft, die Friedenssicherung, die Ressourcenverteilung. Diese Vision der globalen Demokratie jetzt endlich in unserer Gesellschaft zu verankern halte ich für äußerst wichtig, denn viele Menschen suchen gerade nach einem guten Kompass, der in die Richtung einer lebenswerten Zukunft zeigt.

Mein vierter Wunsch:

Last but not least, habe ich einen sehr persönlichen Wunsch, einen Wunsch, den keine Partei an uns richten kann, es ist etwas Individuelles, etwas eigentlich Privates. Und dennoch habe ich diesen Wunsch an unser Selbstverständnis, an unsere Identität. Viele von uns verbinden ihre Identität mit einem Kollektiv, beispielsweise in Form einer Nationalidentität, einer Religionsidentität oder einer Genderidentität. Dagegen will ich auch gar nicht fundamental sprechen, das ist zu einem großen Teil auch für mich okay. Dennoch haben Kollektividentitäten immer das Ingroup/Outgroup Problem. Man steht also manchen Menschen näher und manchen Menschen weniger nah. Wenn man diese Kollektividentitäten also stark lebt, dann kann das ausschließend wirken. Es gibt jedoch eine Kollektividentität, die dieses Ingroup/Outgroup Problem nicht hat. Es ist die Identität des Mensch-Sein oder noch größer gefasst die Identität des Lebewesen-Sein. Genau diese globale Kollektividentität, also Teil der Menschheit zu sein, kann Verbindung schaffen und grenzt in keiner Weise aus. 

Also zusammenfassend: Ich wünsche mir, dass wir politischen Fortschritt feiern, dass wir Vermögen gleichmäßiger verteilen und dass wir uns selbst stärker als Teil der Menschheit sehen, um hoffentlich in einer zukünftigen weltweiten globalen Demokratie friedlich miteinander leben zu können.

Ich danke euch allen, dass ihr hier seid. Ich hoffe, dass wir alle in den nächsten Wochen und Monaten uns noch auf vielen derartigen Demos treffen. Das hier kann und darf nur der Anfang sein.

Danke euch!

Berichterstattung:

Demonstrationen für Demokratie und Vielfalt auch in RLP – SWR Aktuell

Pressemitteilung: